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Wanda - der Weg ins Leben

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kessi

„Dringend Pflegestellen gesucht“ – das ist meist der Satz mit dem alles beginnt.

Wieder einmal war es soweit, unsere Pflegestelle war frei und ich las diesen Satz.
Unendliche Stunden der Warterei bis Karsten endlich von der Arbeit nach Hause kommt. Die Taktik war vorbereitet, der Kaffee gekocht, der Kuchen gebacken. Schnell hatte er mich durchschaut:
„Na, was gibt es denn?“
„Es kommen wieder Zuchthündinnen, können wir eine nehmen?“
„Wo kommen sie denn her, wie alt sind?“
In mir arbeitete es, frag doch nicht, ist doch egal, sag einfach JA.
„Komm Karsten, bitte!“
„Gut, aber bitte eine Ältere wegen George“
Ich strahlte über beide Ohren und das Kribbeln begann.

Am Donnerstag Abend war klar, am Samstag sollen sie kommen, die Fahrtketten
stehen und auch hier im Hause ist alles vorbereitet. Die Wurmkur ist besorgt, das Flohmittel steht parat, das kuschelige Plätzchen ist gerichtet. Und die Gedanken kreisen den ganzen Tag, was für ein Hund wird es sein, ein Goldie, ein Labbie, wie alt, wie verbraucht, wie ängstlich, oder wie lebensfroh? Ist sie krank, wird sie sich mit dem George verstehen, wird sie sich hier wohl fühlen??? Die Gedanken stehen nicht still.

Am Freitag Abend dann ein Anruf: „ Uns wurde noch eine Hündin gemeldet, sie braucht dringend einen Platz. Für das Mädel, welches ihr bekommen solltet, haben wir noch ein anderes Plätzchen gefunden.“ Eine braune Labrador-Zuchthündin, ca. 4 Jahre alt, von ihren Besitzern angeblich aus Mitleid auf einem Markt in Belgien gekauft. Sie kommen nicht mit ihr zurecht, sie läuft nicht an der Leine, sie kann nicht im Haus leben, sie ist stur wie ein Bock.... Das waren die Abgabegründe. Noch während unseres Telefonats haben wir beschlossen, dass ich am nächsten Tag fahren würde, um die kleine Maus in ihr neues Leben zu holen.

Ausgerüstet mit Leine, Geschirr und Halsband begab ich mich am nächsten Morgen also auf eine lange Fahrt, angespannt was mich wohl erwarten würde. Angekommen stand ich vor einen schmuddeligen Pizzeria, eine Klingel gab es nicht. Durch lautes Rufen machte ich mich bemerkbar, öffnen tat mir ein junger Mann. Er führte mich in einen Hinterhof, hindurch durch ein Rudel zahlreicher Welpen verschiedener Rassen. Ich stellte keine Fragen, ich folgte ihm stumm, meine Gedanken waren frei. Plötzlich sagte er: „ Das ist sie.“ Ich schaute auf und ganz weit hinten, in einer Ecke, saß ein kleines, schwarzes, scheues Mädchen, mit riesengroßen Augen. Ich wurde aufgefordert, sie nicht anzusprechen, sie würde sich sonst verkriechen und er könne sie dann nicht mehr einfangen. Ich bat ihn, mich das übernehmen zu lassen. Ich unterhielt mich mit ihr, schaute sie nicht an, sprach einfach ganz ruhig mit ihr. Das dauerte dem Herrn zu lange, er hätte noch einen Termin. Er bat mich ihm zu helfen die Hündin einzukreisen, damit er sie packen könne. Ich tat es, weil ich Angst hatte Unmut bei ihm zu erregen und er zu mir sagen könnte, ich solle ohne dieses schwarze Mäuschen wieder fahren. Als er sie gepackt hatte, durfte ich ihr das Geschirr anziehen. Er lachte, sie würde sowieso nicht an der Leine laufen, sie wäre stur wie ein Bock. Ich antwortete ihm nicht, nahm das scheue Mäuschen einfach auf den Arm und trug sie zum Auto. Nun galt es einen Abgabevertrag mit dem Herrn zu machen, schnell hatte er die Unterschrift gesetzt. Erst jetzt traute ich mich zu fragen, dass uns ja eigentlich eine braune Hündin gemeldet wurde, ob er denn noch eine Labrador-Hündin hier hätte. Nein, es gebe nur diese Hündin, aber wenn ich sie nicht haben wolle, könne ich sie auch hier lassen. Nein, nein ist schon alles ok so. Wieder auf dem Weg nach draußen umkreiste uns ein gelber Labrador-Welpe. Dieser Welpe wäre von der schwarzen Hündin, alle anderen hätte er schon verkauft. Wieder unendlich viele freie Gedanken.
Ich bedankte mich und stieg in mein Auto. Hinten saß sie, einen Namen hatte sie nicht, wurde mir noch gesagt.

Ich fuhr los und hielt nach ein paar Kilometern an, um das Erlebte Revue passieren zu lassen. Ich weinte. Heute weiß ich nicht, ob es mehr Tränen der Wut, oder mehr Tränen der Erleichterung waren dieses kleine Mädchen jetzt in Sicherheit zu wissen. Aus dem Kofferraum kam kein Ton, sie war still, still vor Angst.

Zuhause angekommen trug ich sie in den Hof und holte unseren George dazu. Sie bewegte sich nicht, stand nur starr, starr vor Angst. George begrüßte sie freundlich, und zog sich danach wieder zurück. Karsten kam und schaute sie an, danach mich und nahm mich in den Arm. Ich solle sie reinbringen und die Tür schließen, dann würde sie sich legen können. Gesagt getan, doch gelegt hat sie sich nicht. Bis tief in die Nacht irrte sie durchs Haus, setzte sich immer wieder einmal, hatte panisch Angst wenn wir uns bewegten, also bewegten wir uns nicht. Wir saßen beide auf dem Küchenboden schauten uns an und schwiegen unsere Gedanken. Plötzlich sagte ich einen Namen: „Wanda“, er kam aus dem Nichts. „Wanda – der kleine Fisch, der auszog um seine Familie zu finden“. Wanda, das sollte ihr Name sein.

Wanda schlief die erste Nacht sitzend, angelehnt an die Wand, sie traute sich nicht sich hinzulegen, war immer auf der Hut. Irgendwann ließen wir die kleine schwarze Maus allein und zogen uns ins Schlafzimmer zurück. Schlaf fanden wir nicht, meine Ohren waren nur bei ihr. Ich hörte ihr leises Winseln und wie sie begann das Schuhregal auszuräumen. Die ganze Nacht fragte ich mich, ob wir das schaffen, ob wir die Richtigen für sie sind?

Am nächsten Morgen werde ich mit einem freundlichen Knurren empfangen und wieder fängt sie an umher zu irren, als ich mich bewege. Ich schaue sie nicht an, doch ich flüstere vor mich her, „Ja wir sind die Richtigen, wir schaffen das! Du bist nun hier, wir gehen gemeinsam einen Weg, Deinen Weg!“

Nach nur einer Woche taute Wanda immer mehr auf, fing an sich mir anzuschließen, orientierte sich am George, schaute aber eigentlich immer wo ich bin. Immer auf der Hut, dass ich meine Hände nicht bewege, um ihr nichts Böses zu tun. Von Tag zu Tag mehr hatte sie verstanden, dass ihr hier nichts Schlimmes passiert und dankte das mit unendlichem Vertrauen. Sie folgte mir auf Schritt und Tritt.
So begannen wir also auf Entdeckungsreise durch ihr neues Leben zu gehen. Wir fingen an, die Natur zu erobern, jeden Tag ein kleines Stückchen mehr. Sie folgte mir, und folgte mir, es schien ihr egal wohin, Hauptsache ich bin dabei. Schnell entdeckte ich dabei ihre wahren Leidenschaften, das Wasser und das Apportieren, das war das Größte für sie. Sie konnte dabei alles vergessen, und war einfach nur im Jetzt und Hier. Kamen fremde Menschen hinzu stand sie wieder starr. Also langsam, langsam Schritt für Schritt. Besuch in dieser Zeit wurde vorher ganz genau vorbereitet, sie sollten sie nicht beachten und einfach nur sie selbst sein lassen. Das taten sie, und Wanda begann schnell Neugierde zu entwickeln, und ging einen Schritt nach vorn, erlebte immer wieder, das Menschen ihr nichts Böses tun.

Plötzlich sah ich sie auf der Notfallseite, es war ein grauer Tag. Könnte ich sie gehen lassen? Diese Hündin, die mir so unendlich vertraute? Es begannen Tage, nein Wochen der Überlegungen und Zweifel, ob es richtig ist sie gehen zu lassen. Noch nie war es uns so schwer gefallen. Und ich war mir sicher, noch nie war es auch dem George so schwer gefallen. Denn sie waren ein Team, ein Team voller Verständnis füreinander. Gemeinsam haben Karsten und ich eine Entscheidung getroffen, eine Entscheidung für weitere Pflegehunde. Denn das, was wir hier erlebten, sollte wieder geschehen. So lange wie es solche Geschöpfe gibt, so oft, wie sie unsere Hilfe brauchen, wollen wir für sie da sein.

Nach 9 Wochen zog der kleine Fisch, der seine Familie suchte in sein neues Zuhause. Für uns ein rabenschwarzer Tag, für Wanda ein Glückstag! Für mich war klar, ich brauche eine lange, eine sehr lange Pflegepause. Bis zu dem Tag, als da wieder stand „Dringend Pflegestellen gesucht!“

Nach einem halben Jahr habe ich Wanda, jetzt Nell in ihrer neuen Familie wieder getroffen. Sie ist eine glückliche, agile Labrador Hündin, voller Vertrauen in ihr Frauchen. Es erfüllt mein Herz sie so glücklich zu wissen!
 
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