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Die Geschichte von Gibbs, Eberhard und einem Engel

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Emma

Diese Geschichte ist eine ganz besondere. Hätte sie sich nicht genau so zugetragen, würde sie wohl in die Kategorie Märchen fallen.

Obwohl ich alles direkt miterlebt habe, musste ich beim Zusammentragen der Fakten für diesen Bericht doch immer wieder den Kopf schütteln. Ich möchte Ihnen nun diese außergewöhnliche Geschichte erzählen und Sie können mir glauben, so ist sie passiert.

Es ist die Geschichte von Gibbs, Eberhard und einem Engel.

Es ist der 11.06.2011 und es scheint, als würde Gibbs Wunsch Wirklichkeit. Ist es Mitleid, ist es Schicksal oder ist es, dass sich jemand das Herz nimmt, in das Herz eines Hundes zu blicken.

Am 11.06.2011 kommt Gibbs als Pflegehund zu Eberhard. Eine Entscheidung für einen Neubeginn.

Gibbs ist misstrauisch, schwierig und er ist verunsichert. Sein Leben zuvor erzählt von Gitterstäben, immer wieder gefasster Hoffnung und immer wieder geschenktem Vertrauen, um dann hinter die Gitterstäbe zurückzukehren. Was wir heute wissen, ist, dass er eines Nachts angebunden vor einem Tierheim saß. Ein junger, anmutiger Hund, der bald zu einem jungen Paar vermittelt werden konnte. Das Paar bekam ein Kind und Gibbs hat auf die einzige Art, die er kannte, sichergestellt, dass dem Kind nichts geschah. Als das Kleine sich eines Tages verschluckte, meinte Gibbs nachdrücklich, es wäre sicherer, die großen Menschen nicht mehr an das Kind zu lassen. Mit einem Maulkorb gesichert stand Gibbs erneut vor dem Tierheim.

Auf keinen Fall wollte er hinter diesen Gittern bleiben. Es dauerte nicht lange und Gibbs hatte verstanden, wie das Verschlusssystem seiner Zwingertür funktionierte. Eine Mitarbeiterin fand Gibbs in der Futterküche. Sein Futter verteidigend ging er auf die Mitarbeiterin los und verletzte sie schwer.

Gibbs wurde erneut vermittelt. Zwei Wochen lang. Und wieder vermittelt. Vier Wochen lang. Jedes Mal kam es zu Beißvorfällen, die ihn zurück in das Tierheim brachten. Das ist kein Vorwurf. Einen beißauffälligen Hund abzugeben ist verständlich. Das Vertrauen zu verlieren und die eigene Unversehrtheit höher zu stellen, ist nachvollziehbar und ein menschliches Grundbedürfnis.

All das erfuhren wir erst, nachdem wir Gibbs nach dem Tod seines letzten Herrchens übernommen hatten und er bei Eberhard und seinem Hund Joker ein Pflegeplätzchen fand. Wir wussten, dass Gibbs dazu neigt, seine Ressourcen zu verteidigen, viel mehr wussten wir nicht. Aber wir wollten, dass dieser Hund seine Chance bekommt.

Zwei Wochen lang verlief dank Eberhards und Jokers Geduld und Verständigkeit alles einigermaßen gut. Dann klaute sich Gibbs eine offene Dose, die ihm Eberhard aufgrund der scharfen Ränder wegnehmen musste. Gibbs sah das anders und biss zu. Er biss richtig zu.

Darf ein Verein einen beißauffälligen Hund in einer Pflegestelle lassen? Wir fanden nein. Aber es hätte keine andere Pflegestelle für Gibbs gegeben. Selbst eine Pension für ihn zu finden, gestaltete sich sehr, sehr schwierig. Gnadenhöfe sind auf Jahre belegt. Eine sehr schwierige Situation, denn wir hatten die Verantwortung für diesen Hund übernommen, müssen aber auch die Sicherheit der Pflegestelle gewährleisten.

Eberhard sah das anders und ließ uns kaum eine Wahl. Gibbs hätte ihm seine Seele gezeigt. So einen tollen Hund abzugeben, wenn es Schwierigkeiten gibt, wäre erbärmlich, war seine Aussage.

Es ist etwas Einzigartiges und Unglaubliches, in so einer Situation nach den eigenen Fehlern und nach Veränderungsmöglichkeiten zu suchen, für einen Hund, den man kaum kennt, der einen so schwer verletzt hat, der einem ganz sicher Angst macht und ohne den alles leichter wäre. Aber bei dem man spürt: er möchte sich binden, er möchte vertrauen und er kann es schaffen.

Es bedeutet ständigen Verzicht, es bedeutet eigene Unversehrtheit hintenanzustellen, Verluste und Vertrauensbrüche in Kauf zu nehmen. All dies zu riskieren als Wiedergutmachung für das, was geschehen ist, was angetan wurde.

Gibbs hat Eberhard weiter auf die Probe gestellt aber Eberhard hatte ein Versprechen gegeben. Am 02.08.2011 machte Gibbs jedoch einen schweren Fehler, der die Zukunft von Eberhard, Joker und ihm entscheiden sollte.

Gibbs traf im Treppenhaus die Vermieterin und bellte sie in bedrohlicher Art an. Gibbs wiegt 26 Kg und hat eine Schulterhöhe von 60 cm. Das sind bedrohliche Maße. Die Vermieterin zog ihre Einwilligung zur Hundehaltung nach diesem Vorfall zurück. Alle Versuche, eine gemeinsame gütliche Lösung zu finden, blieben erfolglos. Die Situation schien ausweglos.

Eberhard zog seine Einwilligung nicht zurück. „Gibbs würde für mich durchs Feuer gehen, was ist da ein Umzug?“

Es gelang uns, für Gibbs einen Platz in einer nahegelegenen Hundepension zu finden, so dass Eberhard zunächst in seiner Wohnung bleiben und eine neue suchen konnte.

Über Monate pendelte Eberhard zwischen seiner Arbeitsstelle im Schichtdienst, seinem Zuhause und der Hundepension hin und her. Wenn Eberhard zu unterschiedlichen Zeiten zu Besuch kam, stand Gibbs bereits Minuten vorher an der Haustür und wartete. Wenn sich sein siebter Sinn dann bestätigte, und er endlich „sein“ Auto hörte, gab es kein Halten mehr.

Eberhard gab seinen Gibbs nie auf und suchte in der Zwischenzeit verzweifelt nach einer neuen Bleibe für sich, Gibbs und den 17 Jahre alten Joker. Unzählige Bewerbungen, unzählige Besichtigungstermine, unzählige Absagen.

Wir wussten, dass wir die Pensionskosten für Gibbs als Tierschutzverein nicht auf Dauer tragen konnten. Wir wussten, dass Gibbs zu Eberhard und Joker gehörte und wie verzweifelt Eberhard nach einer Wohnung suchte. Wir wollten ihm und Gibbs diese Zeit von Herzen geben aber wie lange würden wir es noch können und ist es vertretbar? Unsere Hoffnung war ziemlich am Ende, wir traten auf der Stelle und eine Lösung musste dringend gefunden werden. Aber wo und wie?

Es ist Advent 2011. Es ist die Zeit der Wünsche. Die Zeit, wo auch diejenigen, die es eigentlich nicht gewohnt sind, die keine Ansprüche auf das Wünschen haben, wünschen dürfen.

Der Gedanke ist ungewöhnlich aber so naheliegend. Warum nicht einen Aufruf auf unsere Homepage stellen.



„2-Zimmer-Hundehütte, Raum 3… - 3… NRW, Menschenhaltung willkommen“



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Vorschläge gingen ein, das Richtige war nicht dabei. Viel zu weit von Eberhards Arbeit entfernt oder viel zu teuer. Die Freude über die positiven Reaktionen war groß aber die Enttäuschung, wenn es wieder nicht geklappt hatte, war noch größer. Gibbs litt in der Pension, Eberhard bemühte sich nach Kräften, eine Wohnung zu finden, wir telefonierten uns die Ohren wund, um eine Lösung zu finden. Die Lage war unerträglich.

Aber eines Tages kam ein Anruf und eine weibliche Stimme sagte: „Sie haben ein Wohnungsgesuch für Gibbs und sein Herrchen aufgegeben. Ich hätte da eine Idee“.

Wir werden diesen Tag und wir werden diese Worte nie vergessen. Wie ein Lauffeuer sprach es sich herum und niemand, der die Nachricht hörte, konnte es glauben. Es wäre zu schön um wahr zu sein.

Es war über ein halbes Jahr nicht möglich, eine Wohnung zu finden. Dann kommt ein Anruf. Und kurzerhand kauft jemand für Gibbs ein Haus. Es sind diese Momente, die unvermittelt und wie von Engelshand kommen, Momente, wo Unglaubliches passiert.

Es ist wirklich passiert. Ein geeignetes Haus wurde gefunden, nur wenige Minuten von Eberhards Arbeitsstelle entfernt. Ende März 2012 wurde der Vertrag beim Notar unterschrieben und Eberhard konnte mit Gibbs und Joker in die eigenen vier Wände einziehen.

Warum tut jemand so etwas? Einfach aus dem Bedürfnis, Hilfe leisten zu können und zu wollen. Für einen Hund, für einen Menschen. Unser „Engel“ möchte anonym bleiben, denn es geht ihr nicht darum Ruhm und Ehre einzustreichen. Jahrelang war sie selbst für Tierschutzhunde aktiv, was heute nicht mehr möglich ist. Aber finanzielle Hilfe konnte sie anbieten, um weiterhin dazu beizutragen, einem Hund Leben zu schenken.

Gibbs ist ein besonderer Hund. Und so schlimm sein Leben auch verlief, scheint er immer einen Schutzengel an seiner Seite gehabt zu haben, der an ihn glaubte und ihn letztlich ins Glück geführt hat. Der ihm zuerst Eberhard an die Seite stellte und dann nach einem weiteren Engel suchte, der die beiden endgültig zusammenhalten würde.

Es gibt eben Lebewesen, ob Mensch oder Hund, auf dieser Welt, denen wird lange Zeit nichts geschenkt und die sich durch schwere Zeiten kämpfen müssen. Und plötzlich tut sich vor ihnen eine Tür auf und bietet den Weg in ein neues Leben. Als ob es der Lohn ist für das Durchhalten, für das Wollen, das Hoffen und das Nichtaufgeben.

Gibbis Schutzengel wird immer an seiner Seite sein. Aber er kann sich jetzt zurücklehnen, sich von seiner Arbeit erholen und sein Werk betrachten. Er hat auf Erden endlich die Helfer gefunden, die das Schicksal in die Hand genommen haben.

Und wie Eberhard sagt: „Manchmal erscheint es mir noch immer etwas unwirklich, was uns widerfahren ist.“



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Copyright Text: Judith Pagel
Copyright Fotos: Retriever und Freunde e.V.

 
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